Sustainable Future
Ein Praxisleitfaden in sieben Schritten

So gelingt der Start in die nachhaltige Transformation

Der Mehrheit aller Mittelständler ist es wichtig, im Bereich Nachhaltigkeit aktiv zu werden [1]. Oft erleben wir allerdings, dass viele Unternehmer ihre anfängliche Motivation wieder zurückfahren, wenn sich die von einem „Mehr an Nachhaltigkeit“ versprochenen Vorteile durch ein opportunistisches Vorgehen nur schwerlich einstellen. Wie also können wir den Weg in die Nachhaltigkeitstransformation wählen, sodass dabei ein Mehrwert für die unternehmerische Zukunftsfähigkeit generiert wird?

Ein allgemeingültiges Modell gibt es nicht. Dennoch gibt es sieben Schritte für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation, mit denen sich jeder Mittelständler in unterschiedlichen Ausprägungsstufen auseinandersetzen sollte. Sie basieren auf Erkenntnissen aus der Beratungspraxis und Interviews mit Nachhaltigkeitsmanager:innen. Warum aber ist eine Nachhaltigkeitstransformation für Unternehmen so relevant? Eine dauerhafte nachhaltige Entwicklung setzt voraus, dass wir unsere heutigen Bedürfnisse so befriedigen können, dass es auch künftigen Generationen ebenso erlaubt ist. Neben dem ökologischen Handlungsprinzip gilt es, die soziale Ebene (menschenwürdiges Leben) und die ökonomische Dimension (Wirtschaften mit gegebenen Mitteln) von Nachhaltigkeit in ein Gleichgewicht zu bringen.

Warum Sie Nachhaltigkeit in den Blick nehmen sollten.

Neben der vielerorts gegebenen intrinsischen Motivation des Mittelstands gibt es wichtige Push- und Pull-Faktoren, die einen zusätzlichen Handlungsdruck aufbauen:

  1. Regulatorik: Auch wenn ab dem kommenden Jahr zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden unmittelbar durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet werden, ist zu erwarten, dass auch kleinere Zulieferbetriebe mittelbar zu ihren Menschenrechts- und Umweltrisiken ihrer Wertschöpfungskette befragt werden. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sorgt dafür, dass viele bislang nicht berichtspflichtige Unternehmen sich zu ihrem Nachhaltigkeitsbeitrag werden erklären müssen.
  2. Unternehmerisches Umfeld: Klimawandel und Energiekrise bringen es mit sich, dass sich immer mehr Unternehmen mit der Senkung ihres Energiebedarfs auseinandersetzen. Aber es bestehen auch weitere Nachhaltigkeitsrisiken: Wenn Rohstoffe knapp werden, aufgrund von Naturkatastrophen Lieferengpässe bestehen oder problematische Inhaltsstoffe nicht mehr verwendet werden dürfen, betrifft das zwar zunächst einmal produzierende Unternehmen. Bei Dienstleistungsbetrieben treten dagegen insbesondere Aspekte in den Vordergrund, die in der Unternehmensführung oder im sozialen Bereich liegen.
  3. Konsument:innen: Nachhaltigkeit ist heute für die überwiegende Mehrheit von Verbraucher:innen ein entscheidendes Kaufkriterium. Die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen, ist durch die allgemeine Teuerung zwar gedämpft. Trotzdem werden es Anbieter, die den Weg zu mehr Nachhaltigkeit nur halbherzig verfolgen, mittelfristig schwer haben. Neben dem Verlust von Marktanteilen riskieren sie es, sich des Greenwashings verdächtig zu machen – also dem Versuch, sich ohne faktenbezogene Grundlage ein möglichst verantwortungsbewusstes Image zu verleihen.
  4. Stellenbewerber:innen: Der Fachkräftemangel fordert es Unternehmen ab, sich verstärkt um ihre Positionierung als Arbeitgeber Gedanken zu machen. Gerade Angehörige der „Generation Z“ (Jahrgänge 1997 bis 2012) erwarten, dass sich Arbeitgeber aktiv mit den Fragestellungen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Auch in bereits bestehenden Beschäftigungsverhältnissen und in älteren Generationen wird verstärkt Wert auf Nachhaltigkeitsengagement gelegt.

Wie Sie von Nachhaltigkeit profitieren können.

Eine aktive Auseinandersetzung mit unternehmensrelevanten Fragestellungen der Nachhaltigkeit bringt viele Vorteile mit sich [2]: Wer nachhaltiges Handeln strategisch verankert und konsequent umsetzt, profitiert von Ressourcen- und somit Kosteneinsparungen, hat es leichter, engagierte Mitarbeitende zu gewinnen und an sich zu binden und verfügt über eine höhere Innovationskraft. In der Regel lassen sich zudem höhere Erlöse für nachhaltige Produkte erzielen.

Nachhaltigkeit betrifft damit jedes Unternehmen und bedarf hoher Aufmerksamkeit. Wir würden es sogar so formulieren: Nachhaltigkeit ist ein Megatrend im Ausmaß der Industrialisierung, der sich mit der Geschwindigkeit der Digitalisierung entwickelt.

Machen Sie sich auf den Weg.

Wie können nun die Schritte in eine erfolgreiche Umsetzung aussehen?

Schritt 1: Veränderung wollen

Das Management muss davon überzeugt sein, dass Nachhaltigkeit Unternehmenssicherung bedeutet. Die Frage nach den langfristig für das Unternehmen zu erwartenden Vorteilen muss klar beantwortet werden, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Engagement aufrechtzuerhalten.

Henning Osmers-Rentzsch, Nachhaltigkeitsmanager beim Getränkehersteller VILSA berichtet: „Die Mineralgetränkehersteller haben sich darauf verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu sein – da Kompensation immer teurer wird, sind clevere Wege zur Vermeidung von Emissionen gefragt. Gleichzeitig zwingen die gesetzlichen Neuerungen zur Veränderung. Wurde ich vor einigen Jahren mit meinem Thema noch belächelt, werde ich heute zu den Controllern an den Tisch geholt.“

  • Tipp: Mittelständler profitieren oft vom Austausch mit anderen Unternehmen – gerade, wenn es darum geht, den wirtschaftlichen Beitrag der Nachhaltigkeit zu erkennen. Auch Förderbanken sind gute Ansprechpartner und legen immer mehr Programme zur wirtschaftlichen Unterstützung von nachhaltigkeitsbewussten Mittelständlern auf.

Schritt 2: Strategie entwickeln

Ist die Entscheidung „pro Nachhaltigkeit“ gefallen, gilt es, eine Strategie zu entwickeln. Keine leichte Aufgabe, für die entsprechend qualifizierte Ressourcen benötigt werden.
Es empfiehlt sich, mit einer sogenannten Wesentlichkeitsanalyse zu starten und die durch das Management identifizierten Handlungsfelder auf den Prüfstand zu stellen: Dabei wird sowohl intern als auch unter den relevantesten Stakeholdern erhoben, welche Handlungsfelder aus der ökologischen, sozialen sowie aus der finanztechnischen Perspektive am wirkungsvollsten sind. Neben dem unternehmerischen Stärken-Schwächen-Profil und dem Vergleich mit Mitbewerbern sollte auch eine Analyse des Unternehmensumfelds vorgenommen werden, in der auch sich abzeichnende technische sowie politische Entwicklungen berücksichtigt werden.

Sind die Handlungsfelder benannt, sollten auch entsprechende Maßnahmen, Ressourcen und Kosten sowie die benötigte Dauer für die Umsetzung festgelegt werden.

  • Tipp: Nachhaltigkeitsmanager:innen benötigen gleichermaßen fachliches Know-how, kommunikatives Geschick und organisatorische Fähigkeiten. Achten Sie darauf, dass das, was zunächst ggf. noch fehlt – etwa das Gespür für die Unternehmenskultur oder Fachwissen – durch (externen) Beistand flankiert wird.

Schritt 3: Erfolgsfaktoren definieren und messbar machen

Jetzt benötigen Unternehmen eine klare Idee dazu, anhand welcher quantitativen und qualitativen Faktoren der Erfolg einzelner Maßnahmen gemessen werden kann und wie die dazu erforderlichen Daten erhoben werden können. Auf dem Markt existiert eine Vielzahl von technischen Lösungen, die für Laien nur schwer voneinander abzugrenzen sind. Erstellen Sie eine detaillierte Übersicht mit Ihren Anforderungen und bitten Sie Hersteller, Ihnen dediziert darzustellen, inwieweit ihre Lösung diese erfüllt.

  • Tipp: Sind Kennzahlen für die Erfolgsmessung definiert, sollten diese Parameter vor dem ersten Durchlauf mit allen betroffenen Akteuren diskutiert werden. Das erspart im Nachgang viele Debatten um die Interpretation der Ergebnisse.

Schritt 4: Die gesamte Organisation mit einbeziehen

Hat das Nachhaltigkeitsmanagement die strategischen Leitlinien mit Meinungsführenden (also Angestellten, deren Wort im Haus Gewicht hat) vorbesprochen und die Akzeptanz gesichert, sollte die Strategie im Schulterschluss mit dem Top-Management der gesamten Belegschaft vorgestellt werden, um die Relevanz des Themas zu unterstreichen.

Für Annika Matthaei, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Möbel Ehrmann aus Landau, ist Einbindung das Schlüsselwort: „Von Anfang an habe ich mich intern viel ausgetauscht. Den meisten Menschen ist Nachhaltigkeit sehr wichtig – auch wenn sie das nie so nennen würden. Und statt zu sagen ‚So machen wir das jetzt‘ habe ich deswegen gefragt ‚Was stört Euch am meisten?‘. So helfe ich den Leuten dabei, die Dinge abzustellen, die sie selbst nerven und bin so nicht die Bittstellerin sondern die Möglichmacherin – das macht sehr viel aus.“ Auch Dominique Breuer, Nachhaltigkeitsmanager von OMR setzt auf abteilungsübergreifende Teams. „Ich habe „Team Y“ ins Leben gerufen. Eine interne Gruppe von nachhaltigkeitsinteressierten Mitarbeitenden, bestehen aus aktiven und passiven Mitgliedern. Meiner Einladung sind sehr viele Mitarbeitende gefolgt, was mir ein großes Interesse an dem Thema gezeigt hat. Die einzelnen Taskforces habe ich vorgegeben: Klimaschutz, Kommunikation, Office, DEI und soziales Engagement.“

  • Tipp: Unternehmen, die es mit der Nachhaltigkeit besonders ernst meinen, machen nachhaltigkeitsbewusstes Verhalten zum Bestandteil der Jahresgespräche und damit für alle Mitarbeitenden erfolgsrelevant.

Schritt 5: Quick-Wins realisieren

In der Umsetzung muss es gelingen, die Mitarbeitenden auf die Zielerreichung einzustimmen und die unterschiedlichen Interessen auszubalancieren. Wichtig dabei ist es, schnell Erfolge zu realisieren, damit die Nachhaltigkeitsstrategie nicht den Anschein eines kommunikativ aufgeladenen „Ankündigungsmarketing“ bekommt.

  • Tipp: Achten Sie darauf, dass die „Quick-Wins“ auf den Strategieentwicklungsprozess einzahlen: Eine spontane Müllsammelaktion kann die unternehmenspolitische Relevanz des Themas untergraben. Schnelle Erfolge können dagegen z.B. die Erstellung eines Lieferantenfragebogens oder die Umstellung auf Ökostrom sein.

Schritt 6: Offen und nachvollziehbar berichten

Die Fortschritte eines Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit sind sehr gut geeignet, um auch in die Außenkommunikation eingebunden zu werden. Ein Redaktionsplan stellt gebotene Nachrichtenfrequenz sicher. Unbedingt ist darauf zu achten, dass die nachhaltigkeitsbezogenen Informationen konsistent zur restlichen Kommunikation sind. Wer glaubhaft versichern möchte, dass ihm Nachhaltigkeit ein echtes Anliegen ist, sollte den Absatz nicht mit Black Fridays oder der Verlosung von Kreuzfahrten ankurbeln.

  • Tipp: Trotz der hohen Bedeutung von sozialen Medien, ist es oft eine gute Idee, wichtige Stakeholdergruppen zu Dialogveranstaltungen einzuladen und sich hier über geplante Nachhaltigkeitsentwicklungen auszutauschen und Impulse aufzunehmen.

Schritt 7: Erfolge feiern und am Ball bleiben

Um das Momentum aufrecht zu erhalten, müssen Erfolge und der Beitrag der Belegschaft eine Bühne auf wichtigen Firmenveranstaltungen bekommen. Ebenfalls ist es wichtig, dass das Thema Nachhaltigkeit über sich konstant fortsetzende Erfolge im Unternehmen dauerhaft sichtbar bleibt.

Matthaei meint dazu: „Es gehört zum Job, beharrlich zu bleiben. Mit unserer Geschäftsführung habe ich mich auf die Einführung von OKR3 geeinigt. Durch die kurzen Abstimmungszyklen bleiben wir dauerhaft im Gespräch. Und der starke Fokus auf die Formulierung von für alle Seiten attraktiven Zielen erhöht die wahrgenommene Selbstverpflichtung, an einmal gefassten Plänen festzuhalten.“
Alexander Kranz, Nachhaltigkeitsmanager bei der CABB Group GmbH kommuniziert Erfolge differenziert. „Wir publizieren erzielte Erfolge im Bereich Nachhaltigkeit hauptsächlich über zwei Wege. Intern veröffentlichen wir diese in unserem Intranet über einen „News-Flash“. Dort stellen wir sowohl das Team, welches hinter dem Erfolg steht, als auch das umgesetzte Projekt vor. Extern werden sämtliche Erfolge, aber auch Herausforderungen, im Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht.“

Dimensionen der Wesentlichkeitsanalye

Beschreiten Sie Ihren Weg in Richtung Nachhaltigkeit!

Mit den sieben Schritten möchten wir Unternehmen einen Kompass an die Hand geben, um die Fülle der im Rahmen der Nachhaltigkeitstransformation aufkommenden Fragestellungen Schritt für Schritt anzugehen. Für Osmers-Rentzsch ein lohnender Prozess: „Ich glaube nicht, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit auf das gesetzliche Minimum reduzieren, noch in zehn Jahren am Markt Bestand haben werden“. Sprechen Sie gerne ihn und Andrea Matthaei auf ihre Best-Practice-Erfahrungen an.

Brechen wir also auf in die Terra incognita und machen sie zu einer Terra sustinea.

[1] Forsa (2021): Commerzbank Unternehmensperspektiven
[2] LBBW Research (2018): Nachhaltigkeit lohnt sich: Gesellschaft und Unternehmen im Wandel, Schaltegger & Lüdeke-Freund (2012): The “Business Case for Sustainability” Concept – A Short Introduction
[3] Objektive Key Resuls – eine Projektmanagementmethodik, die auf sehr konkret formulierte Ziele abstellt

Wir bringen Sie in Kontakt mit Best-Practice-Erfahrungen.

Im Zuge dieses Artikels haben wir mit vier Nachhaltigkeitmanager:innen gesprochen. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Annika Matthaei (Möbel Ehrmann), Henning Osmers-Rentzsch (VILSA-Brunnen), Dominique Breuer (OMR), und Alexander Kranz (CABB Group). Sie stehen auch Ihnen für den Austausch über nachhaltiges Wirtschaften und darüber, wie Sie mit der nachhaltigen Transformation starten, zur Verfügung.

Dominique Breuer, OMR
Dominique Breuer

OMR, Hamburg (gegr. 2011, 350 Mitarbeitende)

dominique.breuer@omr.com
Alexander Kranz, CABB Group
Alexander Kranz

CABB Group GmbH, Sulzbach/ Taunus (gegr. 2003, 1.150 Mitarbeitende)

alexander.kranz@cabb-chemicals.com
Annika Matthaei, Möbel Ehrmann
Annika Matthaei

Möbel Ehrmann, Landau/ Pfalz (gegründet 1995, 700 Mitarbeitende)

a.matthaei@moebelehrmann.de
Henning Osmers-Rentzsch, VILSA
Henning Osmers-Rentzsch

VILSA-Brunnen Otto Rodekohr GmbH, Bruchhausen-Vilsen (gegr. 1912, 450 Mitarbeitende)

osmers-rentzsch@vilsa.de